S. Krähenbühl u.a.: Das Justistal und seine Alpen

Cover
Title
Das Justistal und seine Alpen.


Author(s)
Krähenbühl, Samuel; Krähenbühl-Müller, Therese
Published
Thun/Gwatt 2021: Werd & Weber Verlag AG
Extent
352 S.
Price
CHF 49
by
Christoph Zürcher

Für Volkskundler, Heimatverbundene und Eventseekers ist das Justistal ein Kultort wegen des, wie in der Publikation zu lesen ist, berühmtesten «Chästeilets» der Welt. Für Geologen und Tektoniker ist das Justistal ein Kultort, weil es das eindrücklichste Antiklinaltal der Schweiz ist. Die Erosion liess in der aufgebrochenen Alpenrandkette nördlich des Thunersees ein Tal von urtümlicher Schönheit entstehen, begrenzt von den schroffen Felswänden des Sigriswil und des Niederhorngrats. Der relativ breite alluviale Talboden zwischen Grön und Sichle gab Raum für neun Alpen, die heute noch nach einem jahrhundertealten genossenschaftlichen System bewirtschaftet werden.

Diese Alpen und ihr Produkt, der Justistaler Alpkäse, stehen im Zentrum der schönen Monografie. Jede Alp wird eingehend beschrieben und vor allem mit aussagekräftigen Fotografien dokumentiert. Sie stammen zum Teil vom Verfasserteam, aber auch aus privaten Foto- und Ansichtskartensammlungen. So entsteht ein lebendiges Bild dieses Natur- und Wirtschaftsraumes.

Eine wahre Trouvaille sind die über zwanzig Fotos von Ernst Konrad Schiller (1873 – 1947). Er studierte in Bern Philosophie, war Redaktor am Bieler Tagblatt und am Bund und gründete 1910 in Wiler (Sigriswil) ein Zöglingsinstitut. Als begabter Fotograf faszinierte ihn die Bergwelt, beispielsweise die Karstgebiete im Alpstein und eben das Justistal. Die Glasplatten seiner Aufnahmen sind im Besitz der Familie Krähenbühl erhalten geblieben und wurden für den Band erstmals digitalisiert. Schiller figuriert weder im Historischen Lexikon der Schweiz noch im Index der Fotostiftung Schweiz. Gerne hätte man auch über die andern Fotografen, Sammler und Sammlerinnen von Bildzeugnissen etwas mehr als nur die Namen erfahren.

Drei Kapitel des Buches sind dem «Chästeilet» gewidmet, an dem der Käseertrag des Sommers, der «Nutzen», nach einem uralten System auf die Bergrechtsinhaber verteilt wird. Der Leser dankt es, dass dieses System, erstmals 1929 von Adolf Schaer Ris in seiner Sigriswiler Heimatkunde für Aussenstehende beschrieben, mit einer übersichtlichen Grafik dargestellt wird.

Weitere Kapitel des Buches befassen sich mit der Tierwelt, der Sagenwelt und der militärischen Bedeutung des Justistals während des Zweiten Weltkriegs. Letzteres Kapitel stützt sich auf die Schrift Reduiteingang Thunersee von Jürg Keller (2013) und zeigt mit informativen Bildern Reste der ausgedehnten Festungsanlagen, etwa die Panzersperre in Merligen oder das militärisch umgebaute Schafloch am Sigriswilgrat. Interessant ist, dass die Armee, indem sie die Strasse Sigriswil–Beatenberg für militärische Zwecke erstellte, den heutigen Tourismus im Justistal erst ermöglichte und gleichzeitig die Voraussetzung dafür schuf, dass die Justistaler Alpen auch heute noch bewirtschaftet werden können.

Nicht ganz glücklich wird man über die Ausführungen zu Geografie und Geologie des Justistals. Den eindrücklichen Bildern sind die erklärenden Texte nicht gewachsen, da hätte der Abdruck eines Ausschnitts der Landeskarte mehr gebracht. Auch komplexe geologisch tektonische Zusammenhänge lassen sich mit bildnerischen statt mit sprachlichen Mitteln wohl verständlicher darstellen. Der Irrtum, dass das Justistal geologisch zum Emmental gehöre, hätte sich mit einem Blick auf eine aktuelle tektonische Karte vermeiden lassen.

Zitierweise:
Züricher, Christoph: Rezension zu: Krähenbühl, Samuel; Krähenbühl-Müller, Therese: Das Justistal und seine Alpen. Thun / Gwatt: Werdt & Weber 2021. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 3, 2022, S. 53-54.

Editors Information
Contributor
First published at

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 3, 2022, S. 53-54.

Additional Informations
Type
Classification
Temporal Classification
Regional Classification
Book Services
Contents and Reviews
Availability